Älterer Azubi und jüngere Kollegen schauen gemeinsam auf den PC. Älterer Azubi und jüngere Kollegen schauen gemeinsam auf den PC.
Ausbildung mit 37 und 53

„Lernen hat nichts mit dem Alter zu tun“

, Text von Nils Wigger

Ausbildung ist etwas für 16-, 17-Jährige? Nicht unbedingt. Zwei Quereinsteiger bei elektroNWS zeigen, wie ein Berufsstart im fortgeschrittenen Alter gelingt – mit Lebens­erfahrung, Rückenwind aus der Familie und jeder Menge Motivation. Einer ist 37, der andere 53. Beide beweisen täglich: Lernen hört nie auf.

Khalil (37) lebt seit knapp vier Jahren in Basel. In seiner Heimat dem Libanon hat er bereits sechs Jahre in der Elektro- und Netzwerktechnik gearbeitet – unter anderem an Sicherheits-, Kamera- und Brandmeldeanlagen. Allerdings ohne anerkannten Ausbildungsabschluss.In der Schweiz muss er deswegen nochmal neu als Elektromonteur anfangen. „Die Idee ist im Gespräch mit einer Arbeitsberaterin entstanden“, sagt er. „Ich habe verschiedene Aushilfsjobs gemacht, zuletzt im Sicherheitsdienst – aber ich wollte zurück zu dem, was ich gelernt habe und was mir Spaß macht.“

Messaoud (53) ist ebenfalls in Basel zuhause – seit fast 25 Jahren. Geboren 1971, hat er in der Schweiz vieles gemacht: CNC-Maschinen bedient, in Montage und Logistik gearbeitet, in der Papierfabrik, beim Läckerli Huus und zuletzt im IKEA-Onlinelager verpackt. Im August hat er seine Lehre zum Montage­elektriker gestartet. „Ich wollte einen richtigen Beruf – heute suchen alle gelernte Leute“, sagt er.

Win-Win für beide Seiten

Für elektroNWS zahlt sich Ausbildung im fortgeschrittenen Alter aus: Wer mit Berufs- und Lebenserfahrung einsteigt, ist auf der Baustelle schnell „nahe am Voll­einsatz“ – sicherheitsbewusst, kundenorientiert und mit Blick fürs Ganze. Die Ausbildungsförderung in der Schweiz gibt zugleich Familien mit anderen finanziellen Bedürfnissen als 17-Jährigen die nötige Absicherung. So entsteht Planungssicherheit auf beiden Seiten: für Lernende mit Verantwortung und für den Betrieb. Auch wirtschaftlich rechnet sich das, selbst wenn jemand mit 53 startet und nur noch zehn Jahre arbeitet – fachlich, kulturell und für die Teamstabilität. „Praxisnahe Quereinsteiger sind für uns ein echter Gewinn: Sie lernen schnell, sind oft schon fast wie vollwertige Mitarbeitende einsetzbar – und die Förderung macht den Schritt auch für Familien realistisch”, meint Samir Hashem, Ausbildungsleiter bei elektroNWS.

Messaoud Mebarki – Auszubildender bei elektroNWS in Basel. Messaoud Mebarki – Auszubildender bei elektroNWS in Basel.

„Jeder lernt vom anderen. Die Jungen sind nahe an der Schule, ich bringe mehrere Jahre Arbeitsroutine mit.“

Messaoud Mebarki

Auszubildender elektroNWS, Basel

Wenn der Familienrat tagt

Bei Yaacoub war der Neustart durchaus sorgfältig geplant und besprochen. Der Familienrat – seine Frau arbeitet im Pharma-Qualitätsumfeld – stand hinter ihm. Zusätzlich unterstützt das Schweizer Arbeitsamt ältere Auszubildende mit einem Zuschuss für die gesamte Ausbildungszeit, der vor allem denjenigen mit Familie mehr Sicherheit geben soll. „Das ist mehr als bei den jungen Kollegen“, erklärt er. Sein Ziel nach dem Abschluss: zurück in die Sicherheits­technik, „meine Lieblingsrichtung“.

Bei Messaoud reifte der Wunsch nach einer Ausbildung über Jahre. Die Kinder sind heute 15, 7 und 4. Seine Frau – Apothekerin – reduziert dafür extra ihr Arbeitspensum auf 60 Prozent. Das macht die Lehre möglich. „Früher ging es finanziell nicht. Jetzt passt eigentlich alles. Ich will lernen mit Strom zu arbeiten, das interessiert mich seit Langem“, sagt er.

Schule vs. Baustelle

Der wohl größte Unterschied zu 17-Jährigen: Routine. Yaacoub bringt Praxis aus Netzwerk- und Sicherheitstechnik mit. Die Theorie in deutscher Sprache ist dennoch sportlich. „Es gibt viele Unterschiede zwischen 37 und 17. Aber ich bin respektvoll, komme mit allen gut klar“, sagt er – seine jungen Kollegen nennen ihn augenzwinkernd „Onkel“.

Messaoud spürt den Erfahrungsvorsprung vor allem auf der Baustelle – aktuell im Kantonsspital Liestal, wo besonders sauber gearbeitet werden muss. „Meine Kollegen sagen, ich bin wie ein vollwertiger Mitarbeiter“, erzählt er. In der Klasse wiederum hilft ihm Disziplin: Lernen im Zug, auf dem Handy, regelmäßig Prüfungen – „Ich bin nicht der Schlechteste“, sagt er und lacht. Die Lernenden nennen ihn liebevoll „Papi“.

Erfahren Sie hier mehr über das Unternehmen

Gemeinsam schneller besser

Was die Jüngeren von Älteren lernen? Gelassenheit, Sicherheits­bewusstsein, Umgang mit Kunden und Chefs. „Ich teile meine Ideen, bin ruhig und achte auf Sicherheit – nicht nur auf der Baustelle“, sagt Yaacoub. Umgekehrt profitiert er von Tempo und Technik­frische der Azubis. „Sie haben viel Energie, das steckt an.“ Messaoud erlebt es ähnlich: „Jeder lernt vom anderen. Die Jungen sind nahe an der Schule, ich bringe mehrere Jahre Arbeitsroutine mit.“ Der Chef gibt mir Aufgaben und muss nicht hinterher­schauen.“ Der Respekt in beide Richtungen sei spürbar – und motivierend.

Hürden – und wie man sie nimmt

Natürlich gibt es auch Stolpersteine: Sprache, Prüfungsdruck, Familien­organisation. Yaacoubs Tipp: früh mit dem Amt sprechen, Wege prüfen, Zuschüsse nutzen. „Sucht Lösungen, bleibt motiviert.“ Ein Freund – im Herkunftsland Arzt, hier als Gärtner tätig – habe nach ihrem Gespräch ebenfalls den Schritt Richtung Qualifizierung gewagt. „Bildung hört nicht auf“, sagt Yaacoub.

Über lange Zeit fehlte Messaoud die nötige Stabilität. Heute tragen eine gefestigte Familiensituation und ein fördernder Arbeitgeber – Ausflüge mit dem Team, Azubi-Tage, Zusammenhalt – zum Aufwind bei. „Nach drei Monaten fühle ich mich frisch – Lernen hat nichts mit dem Alter zu tun.“

Beide haben klare Pläne: Yaacoub möchte nach dem Abschluss in die Sicherheits- und Netzwerktechnik zurück – gern im Builtech-Kosmos. Messaoud will nachziehen, Kurse belegen, vielleicht Richtung Melde- und Spezial­installationen gehen – und vor allem bleiben: „Wenn ich die Chance bekomme, bleibe ich bei elektroNWS oder Builtech. Ich vergesse nicht, wer mir diese Möglichkeit gegeben hat.“

Teile diesen Artikel auf: