
»Mein Herz hängt immer noch an der Firma«
Arbeiten trotz Rente: Dafür entscheiden sich hierzulande immer mehr Menschen. Auch im Handwerk ist dieser Trend zu erkennen. Das zeigt das Beispiel unseres Unternehmens Backes + Scholz bei Fulda. Im 60 Mitarbeiter starken Unternehmen haben sich gleich mehrere Angestellte dafür entschieden, sich nicht vollständig zur Ruhe zu setzen.
Arbeiten trotz Rente: Dafür entscheiden sich hierzulande immer mehr Menschen. Laut der Deutschen Rentenversicherung gehen etwa 1,35 Millionen Menschen trotz des Erreichens des Eintrittsalter weiter einer Beschäftigung nach. Gerade das Handwerk scheint hierfür eher ungeeignet zu sein. Jahrzehntelange, körperlich schwere Arbeit hinterlassen oft genug ihre Spuren. Dennoch ist es längst nicht unmöglich, auch in unserer Branche über das Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten.
Das zeigt das Beispiel unseres Unternehmens Backes + Scholz bei Fulda. Im 60 Mitarbeiter starken Unternehmen haben sich gleich mehrere Angestellte dafür entschieden, sich nicht vollständig zur Ruhe zu setzen. „Wir sind sehr froh, dass die Kollegen immer noch bei uns sind”, sagt Johannes Leister, langjähriger Mitarbeiter und seit gut einem Jahr Geschäftsführer des Unternehmens. „Dadurch bleibt ein unheimlich großer Erfahrungsschatz in unserem Unternehmen erhalten.”
Alle vier sind bereits mehrere Jahrzehnte für Backes + Scholz tätig. Sie kennen die Prozesse und Abläufe nicht nur, sondern haben sie selbst entwickelt und aufgebaut. Dazu kommen enge Kundenbeziehungen in der Region, die gerade im Handwerk enorm wichtig sind. Doch nicht nur die Erfahrung spielt eine Rolle. „Wir sind auch sehr dankbar für die Arbeitskraft, die diese vier mitbringen”. Alle vier erledigen Jobs, die andere Kollegen sonst mit übernehmen müssten, was deren Belastung wiederum erhöhen würde.
Alles im Allem sehr zufrieden
Warum haben sich bei Backes + Scholz gleich vier Mitarbeiter fürs Weitermachen entschieden? Dafür gibt es vor allem drei Gründe. „Es macht mir Spaß. Wäre das nicht der Fall, würde ich auch nicht mehr weiterarbeiten”, bringt es Richard Höhl auf den Punkt. Ein weiterer Punkt ist die Unternehmenskultur. „Es arbeiten so viele Menschen hier, die ich noch kenne und auf die ich mich freue”, sagt Eberhard Gottwald.
Ein freundliches Miteinander ist für alle ein absolutes Muss bei der Arbeit. Der letzte Grund ist das Angebot: Alle wurden von der Geschäftsführung proaktiv gefragt, ob sie nicht gern weiterarbeiten wollen. Die Initiative von Unternehmern kann sich also durchaus lohnen. Das Finanzielle spielt dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Zwar seien alle froh, ihre Rente damit aufbessern zu können. Würde aber der Spaß fehlen oder die Unternehmenskultur nicht stimmen, wäre keiner von ihnen mehr im Unternehmen.
Erstaunlicherweise ist die Bürokratie hier recht überschaubar. Die Rentner arbeiten entweder auf Minijob-Basis oder in Teilzeit. Das klappt sowohl nach Aussagen von Geschäftsführer Johannes Leister als auch der Rentner ohne Probleme. Trotz der vielen positiven Aspekte ist das Verständnis für jeden, der nicht weiterarbeiten möchte oder sogar etwas eher aufhören will, groß. „Nicht alle haben die Gnade, so lange fit zu sein wie ich”, gibt Johann Sawatzky zu bedenken. Nach 45 Jahren schwerer körperlicher Arbeit sei es vollkommen in Ordnung, in Rente zu gehen. Dem stimmen auch die beiden Rentner zu. Alles in Allem sind die Rentner mit ihrer Arbeit sehr zufrieden. Zu Hause rumsitzen, wäre für keinen von ihnen etwas. Deshalb wollen alle so lange weiterarbeiten, wie es ihre Gesundheit zulässt.
Ich habe bei Backes + Scholz Elektroinstallateur gelernt. Damals hieß das Unternehmen noch Elektro Backes. Nach der Ausbildung habe ich noch ein halbes Jahr gearbeitet, bis ich dann zur Bundeswehr musste. Danach ging ich wieder direkt zu Backes + Scholz und dort war ich mehrere Jahre quasi normaler Elektroinstallateur.
1985 dann hatten wir einen Auftrag im Bahnhof Fulda. Wir sollten die Bahnsteigbeleuchtung erneuern. Ich denke mal, wir haben dabei einen ganz passablen Job gemacht. Denn kurz vor Winteranfang kam jemand von der Bahn auf mich zu und fragte mich, ob wir uns auch zutrauen, Weichenheizungen zu installieren. Denn die Firma, die laut Rahmenvertrag dafür zuständig war, ist einfach nicht aufgetaucht. Ich sagte sofort ja, aber dass wir das auch noch nie gemacht haben. Die Bahn schreckte das nicht ab, und so installierten wir unsere ersten Weichenheizungen.
Über die Jahre wurde daraus eine Abteilung, die ich nach und nach aufbaute. Da es immer mehr Aufträge dieser Art gab, brauchte es auch mehr Personal. Und je mehr wir wurden, desto mehr musste ich mich als Chef der Abteilung um Dinge wie Planung und Organisation kümmern. Am Anfang verbrachte ich nur einen Tag im Büro, dann zwei, dann drei usw. Zum Schluss hatte ich mit der eigentlichen Installation nicht mehr viel zu tun.
Meine Aufgaben konzentrieren sich vor allem auf den Bereich Planung, inklusive Kostenermittlung. Ich fahre dazu raus und schaue mir die Lage vor Ort an, also wie alles verkabelt ist und was genau gemacht werden muss. Im Schnitt arbeite ich 21 Stunden im Monat. Wie genau die verteilt sind, ist immer unterschiedlich, da ich vor allem projektweise helfe.
Ich habe die ganze Abteilung aufgebaut. Da hängt man dann schon dran. Das ist für mich der wichtigste Grund. Deshalb habe ich zu Johannes Leister gesagt: „Solange ich dich noch unterstützen kann, mache ich das auch”. Spaß an der Arbeit gehört einfach dazu. Hätte ich keinen Spaß oder würde das Ganze nur Stress bei mir auslösen, würde ich das nicht machen.
Die Kollegen und Kunden sind auch ein wichtiger Grund. Es arbeiten so viele Menschen bei Backes + Scholz, die ich noch kenne und auf die ich mich freue. Mein plötzlicher Abgang spielt auch eine Rolle. Kurz vor dem Renteneintrittsalter, etwa ein halbes Jahr davor, habe ich mir einen Ellbogenbruch zugezogen. Ich konnte zwar noch im Büro arbeiten. Aber rausfahren zu den Kunden, das ging nicht mehr. Dabei hatte ich mir vorgenommen, vor der Rente noch einmal viel rauszufahren und mich von vielen Weggefährten zu verabschieden.
Ich habe zwischen 1990 und 2014 bei Backes + Scholz gearbeitet. Bis 1992 war ich als Elektromonteur tätig. Dann sind wir mit der Firma zum neuen Standort in Petersberg gezogen. Dort habe ich dann die Leitung im Lager übernommen. 2014 dann hat mein Bruder in seinem Unternehmen eine neue Halle gebaut. Er bat mich um Hilfe bei Einkauf und Logistik und ich wechselte daraufhin das Unternehmen. Vor zwei Jahren, also 2023, ging ich dann in Rente.
Zunächst war ich ganz normal in Rente und habe mich um meine eigenen Projekte gekümmert. Doch dann hat Herr Scholz mich angerufen und gefragt, ob ich nicht wieder im Lager arbeiten möchte. „Damit alles wieder seine Richtigkeit hat”, sagte er. Ich musste da nicht lange überlegen. Meine Frau meinte zu mir „Du zuckst immer, wenn du ein Auto von Backes + Scholz siehst”. Ich war zwar zehn Jahre nicht mehr dort, aber mein Herz hing immer noch an der Firma. Ich wurde dann zur Weihnachtsfeier eingeladen und dort wurde es offiziell vor den Kollegen verkündet.
Ich arbeite 26 Stunden im Monat, also ein klassischer Minijob. Ich bin wie zuvor für unser Lager verantwortlich, also Bestellungen, Preisanfragen, Kommissionierung. Bevor ich zurückkam, haben einige versucht, das Lager zu übernehmen, aber das hat nicht so richtig geklappt. Immer wieder mussten Kollegen einspringen.
Da gibt es mehrere Gründe. Zum einen bin ich kein Mensch, der gerne rumsitzt und nichts tut. Meine privaten Projekte waren erledigt, und so war ich sowieso auf der Suche nach einer neuen Aufgabe. Außerdem habe ich das Lager damals aufgebaut und eine lange Zeit geleitet. Die Beschriftungen, das System usw.: Vieles stammt noch von mir.
Die Kollegen sind mir auch wichtig. Ich war eine lange Zeit weg, viele kennen mich nur aus Erzählungen. Aber es sind auch viele von früher da und die neuen Mitarbeiter kennen mich auch wieder so langsam. Zu guter Letzt ist da noch das Finanzielle. Ich möchte unseren Lebensstandard auch in der Rente halten können.
Ich habe 1967 die Lehre als Elektroinstallateur bei Elektro Backes angefangen. 1980 habe ich die Meisterprüfung absolviert. Im Laufe der Jahre habe ich immer mehr Großkunden betreut und über die Jahre selbstredend enge Beziehungen zu diesen aufgebaut. Stand jetzt bin ich seit 59 Jahren in der Firma. Das ist fast die Hälfte der Zeit, die das Unternehmen überhaupt existiert.
Ich betreue in der Hauptsache einen großen und langjährigen Kunden: Roman Bau. Die machen sehr viele Projekte in den umliegenden Regionen, von Kassel über Würzburg bis hin zu Aschaffenburg. Hauptsächlich Wohnungsbau, Studentenwohnungen und so weiter.
Ich übernehme bei den Projekten vor allem die Planung, von Angeboten über Bauablauf bis hin zur Baubetreuung. Daneben gibt es noch drei andere, kleinere Kunden, zu denen ich eine sehr enge Bindung habe und die ich seit Jahrzehnten kenne. Wenn da Kleinigkeiten anfallen, helfe ich auch noch mit.
Ich arbeite fest an zwei Tagen die Woche, jeweils acht Stunden. Die Regelmäßigkeit ist wichtig, damit die Kundschaft genau weiß, wann und wo ich erreichbar bin. Wenn mal etwas Wichtiges ansteht, bin ich aber auch flexibel.
Herr Scholz hat mich damals gefragt, als ich noch regulär in der Firma gearbeitet hatte und das Rentenalter immer näherrückte. Ich habe das aber selbst auch überlegt. Ich habe also gleich zugesagt und alles ging nahtlos ineinander über.
Die Hauptgründe, warum ich das mache: Erstens kenne ich die Leute hier und es macht mir Spaß. Wäre das nicht der Fall, würde ich auch nicht mehr weiterarbeiten. Es ist mir wichtig, mich in der Firma wohlzufühlen und eine gute Beziehung zu Kollegen und zur Geschäftsführung zu haben. Zweitens ist den ganzen Tag zu Hause rumsitzen einfach nichts für mich. Ich brauche eine Aufgabe, etwas zu tun. Solange ich körperlich dazu noch in der Lage bin, werde ich also noch weitermachen.
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