
Wie Weichenheizungen Deutschlands Schienenverkehr am Laufen halten
Ohne Weichenheizungen würden im tiefsten Winter keine Züge fahren können. Mehr als 50.000 davon sind in Deutschland verbaut. Ein kleines Porträt über den stillen Helden der Schiene.
Wenn im Winter eisige Temperaturen herrschen und reichlich Schnee fällt, gerät der Bahnverkehr schnell ins Wanken. Vor allem der Januar ist als kältester Monat im Jahr oftmals eine Herausforderung für die Schieneninfrastruktur. Weichen sind dabei ein besonders neuralgischer Punkt: Frieren sie erst einmal zu, lassen sie sich nicht mehr umstellen und sorgen so für zahlreiche Verspätungen und Ausfälle. Die Lösung kommt in Form sogenannter Weichenheizungen: Sie erwärmen die beweglichen Teile der Weiche, sodass Schnee und Eis erst gar keine Chance haben, sich festzusetzen. Im deutschen Schienennetz sind gut 70.000 Weichen verbaut. Etwa 50.000 davon sind mit einer Weichenheizung ausgestattet.
Einbau und Wartung solcher Heizungen erfordert ein spezielles Know How, das nur wenige Unternehmen in Deutschland besitzen. Eines davon ist die Backes+Scholz GmbH aus Fulda. Das Unternehmen mit 120-jähriger Geschichte besitzt eine eigene Abteilung, die sich auf Weichenheizungen spezialisiert hat. “Angefangen hat alles durch Zufall im Jahr 1986”, erzählt Geschäftsführer Johannes Leister. “Damals haben wir die Beleuchtung am Fuldaer Bahnhof installiert. Etwa zeitgleich sollten auch Weichenheizungen von einer anderen Firma eingebaut werden. Deren Mitarbeiter sind aber nie aufgetaucht. Also hat die Bahn uns gefragt, ob wir das übernehmen können.”
Seitdem hat Backes+Scholz mehr als 6.000 Weichenheizungen im Regionalbereich Mitte und Süd der Deutschen Bahn installiert. Im Schnitt werden 200 Heizungen pro Jahr verbaut. “Das geht allerdings nur außerhalb der Heizsaison”, erklärt Leister. In den Wintermonaten müsse der Bahnverkehr ungestört weiterlaufen, deswegen liege in dieser Zeit der Fokus auf Wartungsarbeiten. Die Heizsaison ist regional unterschiedlich. In den meisten Regionen dauert diese von November bis einschließlich April. Im schneereichen Bayern sogar bis einschließlich Mai.
Deutschlandweit sind verschiedene Arten von Weichenheizungen verbaut. Die meisten erzeugen die Wärme via Strom. Es gibt aber auch Heizungen, die mittels Propangas, Geothermie oder Fernwärme betrieben werden. Ältere, mittlerweile aber seltene Modelle, benötigen Öl oder sogar . Die Entscheidung, welche Art von Heizung verbaut wird, hängt einerseits vom lokalen Klima, andererseits von vor Ort zur Verfügung stehenden Energiequellen ab. Geothermie beispielsweise gilt als besonders nachhaltig. Dabei werden per Tiefenbohrung Rohre bis in tiefere Erdschichten hingetrieben, durch die ein Kältemittel nach unten befördert wird. Das Kältemittel dient als Wärmetauscher, entzieht also der wärmeren, umliegenden Erdschicht Wärme. Anschließend wird das aufgeheizte Kältemittel wieder nach oben befördert. “So nachhaltig dieses Verfahren ist, so ist es leider nicht für alle Regionen geeignet”, erklärt Leister. Zum einen müssen die geologischen Gegebenheiten stimmen, zum anderen ist die Heizleistung in besonders kalten und schneereichen Regionen zu schwach.

Karsten Scholz ist seit 40 Jahren im Handwerk, 31 Jahre davon als Geschäftsführer. Sein 1905 gegründetes Unternehmen wird seit vier Generationen von der Familie geführt. Nun tritt erstmals ein Kandidat ohne familiäre Verbindung die Nachfolge an. Ein Gespräch über Tradition, Vermächtnis und den Wandel im Handwerk.
Das war beispielsweise auch bei einer Strecke zwischen Oberstdorf und Sonthofen der Fall. Die Region gehört zu einer der schneereichsten in Deutschland. Hier liegen im Winter bis zu 1,5 Meter Schnee, zudem herrschen Temperaturen zwischen -20 und -25°C. Geothermie war daher keine Option. Stattdessen hat Backes+Scholz hier 32 Weichen von Propangasheizungen zu elektrischen Heizungen umgerüstet“Das ist für die meisten Regionen das Nonplusultra”, erklärt Leister. Dabei werden Heizstäbe aus Metall via Strom erhitzt. “Das funktioniert ähnlich wie in einem Backofen“. Die Stäbe werden zwischen der Backenschiene und der Zunge montiert. Die montierten Heizstäbe erreichen schnell eine Temperatur von 65°C bis 75°C. Die Heizleistung ist so groß, dass die Heizstäbe relativ schnell verglühen würden, wenn sie ihre Wärme nicht an die Schiene abgeben könnten“, betont Leister. Pro Weiche werden im Schnitt zehn solcher bis zu fünf Meter langen Stäbe an einer Heizung angebracht. Die Energie wird entweder aus Bahnoberleitungen oder aus dem öffentlichen Stromnetz bezogen. Ersteres ist besonders aufwändig und erfordert spezielle Qualifikationen. Beim Projekt in Oberstdorf wurden insgesamt 35 Kilometer Starkstromkabel sowie 240 Heizstäbe mit einer Gesamtanschlussleistung von 230kW verbaut.
Neben der technischen Herausforderung ist auch der organisatorische Aspekt nicht ohne. “Die Abstimmungen sind mit der Bahn mindestens 20 Arbeitstage im Voraus zu treffen”, so Leister. Zudem würden die Arbeiten regelmäßig aufgrund des stetigen Zugverkehrs unterbrochen. Aus diesem Grund werden die Arbeitszeiten meist auf das Wochenende, auf Feiertage oder in die Nacht verlegt. Für die Mitarbeiter ist das auch privat immer wieder eine Herausforderung. Zudem gebe es laut Leister nur wenige Hersteller, die die speziellen Bauteile produzieren. Die Beschaffung gestaltet sich daher schwieriger als sonst im Elektrohandwerk üblich. Nichtsdestotrotz ist Leister stolz auf die Leistung, die die Mitarbeiter von Backes+Scholz immer wieder auf der Schiene zeigen. “Es gibt nicht viele in Deutschland, die das können.”
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