
»Wer eine PV-Anlage will, muss auch das Dach mitdenken«
Photovoltaik boomt. Doch lohnt sich die Anschaffung einer PV-Anlage wirklich für jeden? Und worauf sollten Hausbesitzer besonders achten? Wir haben mit Dominik Bojakowski, Geschäftsführer der Ragas Dachdeckermeisterbetrieb GmbH, gesprochen.
Photovoltaik boomt – nicht zuletzt wegen steigender Strompreise, attraktiver Förderungen und dem Wunsch nach mehr Unabhängigkeit. Doch lohnt sich die Anschaffung einer PV-Anlage wirklich für jeden? Und worauf sollten Hausbesitzer besonders achten? Wir haben mit Dominik Bojakowski, Geschäftsführer der Ragas Dachdeckermeisterbetrieb GmbH, gesprochen. Der Diplomkaufmann und zertifizierte PV-Manager weiß genau, welche Gedanken sich Hausbesitzer vor der Anschaffung machen sollten.
PV-Anlage: Keine pauschale Entscheidung
„Ob sich eine PV-Anlage lohnt, lässt sich nicht pauschal sagen“, stellt der Experte gleich zu Beginn klar. Es komme sehr stark auf die individuellen Bedürfnisse und Gegebenheiten an. Dazu zählen unter anderem der Stromverbrauch, das Nutzungsverhalten, die baulichen Voraussetzungen bis hin zu regionalen Förderprogrammen. Deshalb sei eine fundierte und unabhängige Beratung entscheidend. Als erstes müsse daher der eigene Stromverbrauch genau analysiert werden, sowohl insgesamt als auch verteilt über den Tag. Ein Haushalt mit zwei Personen, in dem tagsüber niemand daheim ist, profitiert weniger von selbst erzeugten Strom als eine vierköpfige Familie mit Wärmepumpe und bei der die Eltern im Homeoffice arbeiten. Auch Elektroautos spielen eine Rolle. Auf dieser Analyse aufbauend kann ermittelt werden, wie groß die PV-Anlage sein muss und wie teuer sie entsprechend wird.
Batteriespeicher: Ja oder nein?
Wer den Strom größtenteils nachts verbraucht, benötigt bestenfalls einen Speicher. Die Preise hierfür sind in letzter Zeit zwar stark gesunken, dennoch ist es eine zusätzliche Investition, die die Kosten in die Höhe treibt. „Ob ein Speicher sinnvoll ist, hängt stark vom Nutzungsverhalten ab. Man muss wissen, wann der Strom gebraucht wird, um die Speichergröße sinnvoll zu planen – oder überhaupt zu entscheiden, ob einer nötig ist“, sagt der Experte. Eine unüberlegte Entscheidung kann die Amortisation erheblich verzögern.
Technik und Komponenten: Auf den Wechselrichter kommt es an
Auch bei der Technik gibt es erhebliche Unterschiede. Ein Standardfall ist die Frage, wie viele Module man jeweils in sogenannten Strings zusammenschalten will. Jeder String braucht einen eigenen Wechselrichter, die wiederum die Kosten in die Höhe treiben. Aus finanzieller Sicht ist es also sinnvoll, so viele Module wie möglich auf nur wenige Strings zu verteilen. Allerdings macht das die Anlage auch wieder anfälliger, warnt der Experte. „Gibt es bei einem Modul Probleme, wirkt sich das auf den gesamten String aus.” In der Regel werden 2-4 Strings geschaltet. Es gibt aber auch die Möglichkeit, aus jedem Modul für sich das Maximum rauszuholen. Wem dieses Thema besonders wichtig ist, kann sogar auf Mikrowechselrichter zurückgreifen, wodurch alle Module unabhängig voneinander werden. Das wird jedoch in der Anschaffung teurer und der Wartungsaufwand steigt. Auch hier gilt: Eine individuelle Abwägung ist nötig.
Das Dach – der oft unterschätzte Risikofaktor
„Für mich als Geschäftsführer eines Dachdeckerbetriebes ist besonders wichtig: Man darf die PV-Anlage nicht nur isoliert betrachten. Das Dach spielt beim Thema Kosten eine zentrale Rolle.” Viele Anbieter von PV-Anlagen seien jedoch keine gelernten Dachdecker, weshalb das Thema bei deren Verkaufsgesprächen keine Rolle spiele. „Ein altes, aber intaktes Dach kann durch unvorsichtige Solarteure erheblich geschädigt werden.” Das geschehe z. B. häufig beim sogenannten Einflexen der Dachziegel zur Befestigung der Anlage. Diese Methode sei zwar günstiger für die Solarteure, sorge aber auch häufiger für Schäden. Die Folge sind meist Haarrisse, die in den ersten ein bis zwei Jahren nach der Montage zunächst unbemerkt bleiben. Durch wechselnde Witterungsverhältnisse können diese jedoch aufbrechen, warnt Dominik Bojakowski. Das kann zu eindringendem Regenwasser führen. Das Tückische: Selbst dann bleiben die Schäden oft zunächst unbemerkt, da sich das Wasser unterm Dach sammelt. „Irgendwann stellt man dann fest: Das Dach ist feucht und muss neu gemacht werden. Ohne eine unvorsichtig montierte Solaranlage hätte das Dach aber noch zehn weitere Jahre gehalten.”
Daher rät der Experte: Jedes Dach sollte vor der Montage einer PV-Anlage zuerst geprüft und gegebenenfalls saniert werden, bevor eine PV-Anlage installiert wird. „Es macht keinen Sinn, 10.000 bis 15.000 Euro in eine PV-Anlage zu investieren, wenn man in zwei Jahren das Dach für 70.000 Euro neu machen muss“, so seine klare Haltung. Wer ohnehin das Dach erneuern will, kann über sogenannte Indachanlagen nachdenken. Dabei übernehmen die PV-Module gleichzeitig die Funktion der Dacheindeckung. Das spart Material, ist optisch ansprechend und kann wirtschaftlich sinnvoll sein.
„PV-Anlagen können eine tolle Investition sein – aber nur, wenn sie gut durchdacht und fachgerecht umgesetzt werden und das vorhandene Dach in einem entsprechenden Zustand ist“, so das Fazit des Experten. „Wichtig ist es, sich von Fachleuten gründlich beraten und sich nichts aufschwatzen zu lassen.”
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